Nachhaltigkeit in allen Facetten

von Franziska Thiele

Spannung in jeder Hinsicht:
Erste inspirato Nachhaltigkeitskonferenz "Neues Wachstum" war ein inspirierendes Erlebnis für die knapp 100 Teilnehmer

 




Wie stark das Thema Nachhaltigkeit die Unternehmen bewegt, machten schon die beiden Hamburger Hotels deutlich, in denen die inspirato Fachkonferenz "Neues Wachstum" stattgefunden hat: Das Mövenpick Hotel im Wasserturm und das neue Scandic Emporio Hotel präsentieren ihre eigenen CO2-Sparmaßnahmen bzw. ihre Nachhaltigkeits-Strategie.

Die Konferenz selbst – und auch die Anreise der Teilnehmer – konnte über ClimatePartner klimaneutral gestellt werden. Dazu hat ClimatePartner Managing Director Tristan Foerster die CO2-Emissionen des Konferenzbetriebs und die jeweilige, individuelle Anreise der Teilnehmer aus ganz Europa ermittelt und durch die Unterstützung von einem Wasserkraftprojekt in Guatemala kompensiert.

Durch das umfassende und facettenreiche Programm von "Neues Wachstum" führte kein Geringerer als Dean Sanders, der seit über 15 Jahren mit seiner Firma The Good Brand Works Ltd. internationale Markenartikler und Institutionen erfolgreich bez. Nachhaltigkeit berät und weltweit Projekte umsetzt.

Zum Auftakt der Veranstaltung stellte Merlin Koene die Nachhaltigkeitsstrategie von Unilever vor und bezeichnete nachhaltiges Wachstum als "alternativlos". Die Notwendigkeit zum nachhaltigen Wirtschaften und Handeln brachte er auf eine einfache Formel: Wenn jeder Mensch so viel wie ein durchschnittlicher Deutscher konsumieren würde, bräuchten wir drei Planeten Erde, um dem gerecht zu werden. Unilever will deshalb für den gesamten Lebenszyklus seiner Produkte Verantwortung übernehmen und die Umweltbelastung bis 2020 halbieren – immer vor dem Hintergrund, dass jedem Tag 2 Mrd Menschen ein Unilever-Produkt benutzen.

Der nächste Referent – Karsten Ranitzsch, Head of Coffee Group Nestlé Nespresso – verdeutlichte, wie ein nachhaltiger Produktionsprozess zu der hohen Qualität der Kaffeevarietäten von Nespresso Grand Crus führt. Er zeigte aber auch auf, welche Herausforderung eine Klimaerwärmung für den Kaffeeanbau bedeutet: Der Anbau wird in vielen Regionen unattraktiv, was zu fundamentalen Veränderungen im Kaffeegeschäft führen wird.

Dann gab es ein Jubiläum "zu feiern": Dieter Overath, Erfinder und Geschäftsführer von Fair Trade, ist mit diesem nachhaltigen Label jetzt seit 20 Jahren am Markt! Für die Lizenznehmer des Labels bedeutet die Nutzung auch wirtschaftlichen Erfolg, denn 6 von 10 Deutschen kennen Fair Trade – und 9 von 10 Kennern des Labels vertrauen ihm.

Anschließend präsentierte Johannes H. Mauss, Leiter Gesamtmarketing Haus Rabenhorst, das Comeback von "Rotbäckchen", eine deutsche Traditionsmarke, die die Reformhausbewegung mitbegründet hat. Das wirtschaftliche Comeback, von langer Hand vorbereitet, folgt einem Prinzip von Verzicht, dass zu einer nachhaltigen Wertsteigerung geführt hat: Verzicht auf Redesign, Verzicht auf Zielgruppenerweiterung, Verzicht auf Discount, Verzicht auf den Launch einer neuen Marke – dafür Fokus auf die Zielgruppe der Mütter von 3 bis 9jährigen, den Markenwert "Fürsorge", neue Sorten, die dazu passen und vertrauenswürdige Vertriebskanäle. Ergebnis: Der Fruchtsaft-Markt schrumpft, Rotbäckchen wächst nachhaltig.

Richard Evans von GoodBrand und Felix Stöckle, Managing Director von Landor Associates  beschäftigten sich am Nachmittag mit dem Thema "Vertrauen" in Marken/Unternehmen sowie ihrem schwierigen Stand in Zeiten des Internet, wo Mundpropaganda, öffentliche Bewertungen oder (im Extremfall) Shitstorms über die Reputation gewaltig mitbestimmen. Unternehmen, die sich falsch oder unverantwortlich verhalten, werden im Internetzeitalter in kürzester Zeit durch eine weltweite Öffentlichkeit von "Markenpolizisten" bestraft, die wir alle sein dürfen.

Es folgte der Vortrag von Jörg Dohmen, Leiter MINI Markensteuerung, zur nachhaltigen Ausrichtung von MINI als Marke der BMW Group. Unter der Idee des MINIMALISM subsummiert MINI u.a. Verbrauchssenkungen in der Produktion und bei den Fahrzeugen, digitale Spritspartipps im Cockpit, aber auch ein weltweites soziales Engagement.

Dann bewegten die Gründer des Internet-Start ups "The Coo Network" das Auditorium. Die Firma möchte mehr "Spaßhaltigkeit in die Nachhaltigkeit bringen", Menschen für ihren persönlichen Klimaschutz virtuell belohnen. Dazu füttern die User einen sog. "Cooney" mit Daten; ein Männchen, das ab- oder zunimmt – je nachdem, ob man persönlich wenig oder viel CO2 verursacht.

Weiteren spannenden Input steuerte der Impulsvortrag von Maurice Stanszus, WeGreen, einer grünen Suchmaschine, die "grünere" Produkte identifiziert, bei.

Danach wurde es gleich drei Mal richtig spannend: Bei einer kontroversen Podiumsdiskussion diskutierten die unterschiedlichsten Referenten und Gäste die Ernsthaftigkeit, mit der Unternehmen Nachhaltigkeitsstrategien verfolgen. Auf der Bühne: Urs-Peter Schmidt, Category Director Schokolade bei Kraft Foods, Claudia Sommer, Webmanagerin Greenpeace e.V., Dieter Overath, Geschäftsführer Fairtrade Deutschland, Dr. Stefan Hermann Siemer, Gründer, Ambulanz für neue Kommunikation (Lüneburg/Wien), Andreas Zamostny, Geschäftsführender Gesellschafter, Schlange & Co. GmbH und Ramin Khabirpour, ehemaliger Danone Zentral Europa Geschäftsführer.

Nach dieser Diskussionsrunde war Praxis gefragt. Fünf Social Start ups stellten sich mit jeweils einem zweiminütigen Kurzvortrag vor. Alle Teilnehmer von "Neues Wachstum" ermittelten dann über ein Voting den Sieger, der jetzt mit einem „Starter-Kit“ im Gesamtwert von 12.000 € gefördert wird. Das Voting per Applaus hatte einen klaren Gewinner: Doonited.com – eine Online-Plattform, die den Usern täglich gute Taten vorschlägt und alle, die sie tun, dafür mit dem "Doo-Zähler" sichtbar auszeichnet.

Der erste Tag wurde durch einen flammenden Vortrag abgerundet. Alles andere wäre auch eine Über­raschung gewesen, denn Dominik Veken – einer der renommiertesten Strategen Deutschlands – fordert von Unternehmen, Vorständen und Mitarbeitern in erster Linie "mehr Begeisterung für ihre  Sache". Das Thema Nachhaltigkeit betrachtet er dabei als ein entscheidendes Sinnelement, genau wie Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt.

Der zweite Tag von "Neues Wachstum" war ebenfalls durch ein abwechslungsreiches Programm geprägt: Vertreter von großen Unternehmen, Start ups und Mittelständler gaben sich das Mikrophon in die Hand; Agenturen setzten zusätzlich starke Akzente, die weit über das Thema Unternehmens­kommunikation hinausgingen.

Jan Schierhorn sagt "Das Geld hängt an den Bäumen" und pflückt im Rahmen seines unter­nehmerischen Inklusions-Projekts mit behinderten Menschen Obst in Gärten, Kolonien und auf Wiesen, dass die Eigentümer einfach nicht ernten (können). Daraus lässt er in einer Mosterei einen naturtrüben Direktsaft herstellen, von dessen Qualität sich die Teilnehmer gleich selbst überzeugen konnten.

Ronald Focken Geschäftsführer Serviceplan-Gruppe erläuterte, warum werte-orientiertes Marketing so wichtig wird: In vielen Kategorien ist, sozio-demographisch bedingt, bis 2015 ein Minus im Absatz von Produkten zu erwarten. Das lässt sich durch neue Produkte oder höhere Preise ausgleichen – die Kunden aber nur bereit sind zu akzeptieren, wenn Marke/Produkte eine überdurchschnittliche Wertschätzung erfahren – Werte und Nachhaltigkeit werden zu einem Erfolgsfaktor im scharfen Verdrängungswettbewerb.

ClimatePartner Managing Director Tristan Foerster (der schon die Konferenz und die Anreise klimaneutral gestellt hatte) präsentierte die Geschäftsidee von ClimatePartner: Die Integration von Klimaschutz in die gesamte Wertschöpfungskette und Strategie von Unternehmen hat ClimatePartner zu einem der weltweit führenden Service Provider in diesem Bereich gemacht.

Die umfassende, globale Nachhaltigkeitsstrategie von Henkel wurde von Uta Steffen-Holderbaum erklärt: Henkel will bis 2030 drei Mal effizienter werden; das heiß, es soll eine Verdreifachung des geschaffenen Werts im Verhältnis zum Fußabdruck erreicht werden, den der Hersteller durch Geschäftstätigkeit, Produkte und Dienstleistungen hinterlässt.

Auch das "Teilen" ist ein Nachhaltigkeitsthema: Philipp Gloeckler vom Start up "why own it" präsentierte, wie man mit einem modernen Tauschportal Ressourcen schont und Menschen zusammenbringt. Tobias Brodtkorb, Managing Partner von Sempora Consulting, zeigte anhand einer eigenen Studie, welch hohes wirtschaftliches Potential im Handel mit gebrauchten Produkten wie Büchern und Spielsachen steckt: Das Marktvolumen wird im Leitmarkt UK auf 3 Mrd € geschätzt, das Weiterverwenden durch 2nd Hand-Käufer spart Ressourcen und Energie.

Die Kommunikationsexperten Michael Moser (Shanghai Berlin) und Alexander Kiock (diffferent Strategieagentur) zeigten an Beispielen aus dem Bereich Automotive, wie sich ganze Geschäfts­modelle und Positionierungen verändern, wenn die Nachhaltigkeit eine starke Rolle im Unternehmen bzw. in der Produktentwicklung spielt.

Drei Unternehmen, die vor rund 10 Jahren noch als winzige Start ups gegolten haben, demonstrierten zum Abschluss des zweiten Tages, wie aus einer starken Idee und konsequent nachhaltigem Handeln ein echtes Business entsteht:

Uwe Lübbermann von Premium Cola hat von Anfang an seine Kunden, Lieferanten und den Handel in ein völlig transparentes Geschäftsmodell eingebunden und verkauft Cola durch ein Kollektiv – bis heute macht er alle Verträge per Handschlag. Er gilt als "Papst der alternativen Getränkeindustrie" und Premium Cola als Musterbeispiel für "consumer driven products".

Christian Stegemann erklärte anschaulich, warum eine nachhaltige Strategie die Smoothie-Marke "innocent" so erfolgreich gemacht hat: Im Vertrieb, aber auch bei der Resonanz auf eine soziale Kampagne, die höchste Akzeptanz erfährt, obwohl sie an den Abverkauf der Smoothies gekoppelt ist.

Last but not least präsentierte Tanja Umbach, warum LUSH Cosmetics mit frischer nachhaltig produzierter Kosmetik, für die auf Tierversuche verzichtet wird, international erfolgreich ist: Kundinnen und Kunden schätzen die natürliche Qualität, vor allem aber die Haltung des Unternehmens, dass seine Produkte in eigenen Shops anbietet und sogar Pfand- bzw. Recyclingsysteme für seine Verpackungen anbieten kann.

Beim abschließenden Get together war zu spüren, dass die beiden inspirato Konferenztage "Neues Wachstum" die unterschiedlichsten Menschen zusammengebracht hatte: Erfahrene Consultants, Top-Manager, NGO-Vertreter und Start up-Gründer wussten, sich gegenseitig zu inspirieren – alle auf der Suche nach einem Wachstum, dass im Idealfall keine negativen Spuren auf der Erde hinterlässt.

Moderator Dean Sanders betonte noch einmal, wie positiv die Entwicklung von Nachhaltigkeit zum Teil der Unternehmensführung in großen Companies verläuft – entscheidend für den Erfolg ist dabei immer die wertsteigernde Verzahnung mit dem Kerngeschäft und ein nachhaltiger, messbarer ROI.

Wie stark das Thema der Nachhaltigkeit nicht nur Entscheider, sondern auch Consumer bewegt, war schon gegen Ende der Veranstaltung zu spüren, als selbst der Kameramann, der das Event nur aufzeichnen sollte, sich mit Fragen an die Referenten wandte.

 

Zurück